Ratingen. Am fernen Horizont könnte es kriseln - nicht jetzt, aber vielleicht in vier, fünf Jahren. Das sagt einer, der es wissen muss, der die Märkte analysiert und finanztechnisch das Gras wachsen hört: Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG, lieferte beim zehnten Neujahrsempfang des Unternehmensverbandes Ratingen (UVR) aktuelle Informationen zu den Entwicklungen auf den Wirtschaftsmärkten dieser Welt. Von Norbert Kleeberg

Mehr als 170 Gäste lauschten dem Vortrag des Experten, der an den Universitäten Bonn und Münster Volkswirtschaft studiert hat. Krämer skizzierte die Zukunft nicht in schweren, düsteren Farben, ein Wirtschaftswachstum von rund 1,1 Prozent in diesem Jahr sei durchaus möglich, wahrscheinlich verharre man in den kommenden Jahren auf diesem Niveau.

Der niedrige Ölpreis wirke da wie ein Konjunkturprogramm. Dass die Griechen den Euro-Raum verlassen werden, hält er für ausgeschlossen. Die Konsequenzen seien nicht tragbar, weder für die Europäische Gemeinschaft noch für die Hellenen. Nicht zu unterschätzende Unsicherheitsfaktoren gebe es in Russland, in China - und in Deutschland, das bei der Standortqualität im internationalen Vergleich deutlich an Boden verloren hat. Dennoch habe man eine Chance, Erosionen zu verhindern, man müsse nur rechtzeitig gegensteuern, befand Krämer.

Olaf Tünkers, der Vorsitzende des gastgebenden UVR, befasste sich unterdessen mit der Aufgabe, den lokalen Wirtschaftsstandort Ratingen zu stärken. Und dazu gehöre auch, den Düsseldorfer Flughafen zu unterstützen. Ratingen sei im Grunde "Airport-City", betonte Tünkers im Beisein von Vertretern von Politik und Verwaltung. Dass die Stadt und der Rat den Klageweg in Sachen Kapazitätserweiterung im Fall der Fälle beschreiten werden, stößt beim UVR nicht unbedingt auf Gegenliebe. Tünkers und seine Kollegen verweisen auf die schnellen internationalen Anbindungen, die für Ratingen ein deutlicher Standortvorteil seien.
UVR-Geschäftsführer Axel Mauersberger (links) und UVR-Vorsitzender Olaf Tünkers (Mitte) im Gespräch mit Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG. FOTO: Blazy, Achim (abz)

Für den UVR ist klar, dass man weitere Firmen nach Ratingen holen muss - auch mit Blick auf die Gewerbesteuerentwicklung, die für die Stadt angesichts des Zehn-Millionen-Lochs im Haushalt 2015 eine immer wichtigere Rolle spielt.

Ratingen West und Tiefenbroich müssen aus Sicht des UVR für den hart umkämpften Wirtschaftsmarkt deutlich aufgewertet werden, dies sei aber ein harter und sehr mühsamer Weg, so Tünkers, der dieses Thema bereits beim ebenso gut besuchten Neujahrsempfang der CDU Mitte im Museum der Stadt angesprochen hat.

Und auch im Tryp-Hotel erwähnte er das Ziel, Ratingen mit fast 100 000 Einwohnern zur besten Mittelstadt Deutschlands zu machen, die Voraussetzungen (vor allem bei der Kaufkraft) seien zweifellos vorhanden, unterstrich der UVR-Vorsitzende.

Niemand im Saal wollte ihm da widersprechen.

http://www.rp-online.de/nrw/staedte/ratingen/ratingen-ist-im-grunde-airport-city-aid-1.4802336
Quelle: RP Online, 16.01.2015